Sonntag, 29. August 2021

Internationale Dollardroute

Internationale Dollardroute - 2. Tag


Mittwoch, 28.07.2021  ( Veteranen Café )


 
Bad Nieuwe-Schanz - Termunterzijl, 61 km




Nach ca. 50 km Radfahren und 2 Stunden Thermalbad kann man wunderbar schlafen. Von Muskelkater ist heute nichts zu spüren. Eigentlich schade, dass nicht am Ende jeder Etappe solch eine Entspannung wartet. 😊

Unser Frühstück müssen wir um 8.00 Uhr einnehmen. Beim Einchecken werden aufgrund der Corona Pandemie entsprechende Zeiten vergeben. Dieses soll größeren Andrang im Frühstücksraum verhindern. Eine solche Vorgehensweise erleben wir in allen niederländischen und deutschen Hotels auf unserer Fahrradtour. Und es klappt hervorragend. Kaum mehr als weitere drei bis sieben Personen sitzen zusammen mit uns beim Frühstück. Die Abstände zwischen den Personen betragen zum Teil mehrere Meter, es sei denn, sie gehören als Gruppe, Familie etc. zusammen. 

Obwohl in den Niederlanden keine Maskenpflicht besteht, außer in öffentlichen Verkehrsmitteln und einigen Gebäuden, werden die Abstände eingehalten. Insgesamt ist das Verhalten der Niederländer viel entspannter als das unserer deutschen Mitbürgern. Dieses gilt nicht nur in Zeiten von Corona. Ich selbst empfinde es immer wieder, wenn ich mich in den Niederlanden aufhalte. Ich mag dieses Land und seine Bewohner sehr.

Doch weiter geht´s auf der  Dollardroute, zunächst durch den kleinen Ort Bad Nieuwe Schanz. Seine Bedeutung und den Bekanntheitsgrad verdankt er der mit Mineralien angereicherten Salzquelle in 630 m Tiefe. Diese wurde bei Bohrungen 1980 als erste derartige Quelle in den Niederlanden entdeckt. Bei 36 Grad Celsius Wassertemperatur lässt es sich in den Thermen wunderbar entspannen, wie wir am eigenen Leib erfahren haben. https://thermenbadnieuweschans


Garnisonskirche

Der Grenzort ist geprägt durch seine Bedeutung als ehemalige Festung und Garnisonsort. Er wurde mit erheblichem Aufwand restauriert.


Denkmalgeschützte Kirche


restaurierte Häuserzeile, Bad Nieuwe Schanz

Nach einigen hundert Metern Fahrt sind wir erneut in Deutschland. Eine kleine, schmale Holzbrücke führt über den Kanal und wir haben das Land gewechselt. In Zeiten des 2. Weltkrieges kamen auf diesem Weg viele jüdische und politische Flüchtlinge von Deutschland in die Niederlande. 

Fluchtwege - Informationstafel Bad Nieuweschans


Mit Rückenwind rollen wir durch die deutsche Polderlandschaft. Hier in der unmittelbaren Nähe zum Dollard haben die Landschaftsbezeichnungen fast alle den Begriff Polder im Namen, egal, ob wir uns auf deutscher oder niederländischer Seite befinden. 

Als Polder wird eine niedrig gelegene eingedeichte Fläche bezeichnet. In der Region, die wir mit unseren Rädern durchfahren, wurde dem Dollard in den vergangenen hunderten von Jahren das Land abgerungen. Dieses geschieht auch heute noch. Kaum vorstellbar, wir bewegen uns auf ehemaligem Meeresboden.

Für uns Radfahrer ist diese flache Gegend - und das auch noch bei Rückenwind - eine traumhafte Situation. Das Radeln geht wie von Geisterhand allein. 

Wie lange wird das so bleiben?

Dann stehen wir vor einem Deich mit kleinem Durchlass für die Straße.


Deichdurchlass Kanalpolder ( noch auf deutscher Seite )


 


Blick vom Deich auf die Landschaft dahinter



Rast am Deichdurchlass


Nach kurzer Rast kämpfen wir uns den Deich hinauf nach Oude Statenzijl. Die Leichtigkeit des Radfahrens hat ein Ende. 




Naturwanderpfad ins Deichvorland

Über dem Naturwanderpfad gelang man zu einer Vogelbeobachtungsstation, 
"De Kiek Kaste".

Auf dem Weg nach Drieborg verfahren wir uns zunächst. Gut, dass wir den Fehler schnell bemerken. Unsere Karte aus der Broschüre " Grenzenlos radwandern " hilft uns, den rechten Weg zu finden. Auf einem Rastplatz in Drieborg erhält der interessierte Radwanderer Informationen zur Geschichte des Dorfes. Unter anderem erfährt man, dass Drieborg das einzige echte Deichdorf in der Provinz Groningen ist.

Drieborgs Geschichte



 Mit erheblichem Gegenwind radeln wir weiter und sind froh, ab und an durch Bäume und Gehöfte etwas Schutz vor dem starken Wind zu finden. Wir bestaunen die prächtigen, oft einsam auf Erhebungen stehenden Höfe, an denen wir vorbeifahren und erreichen den Ort Beerta. 

Zwischen Beerte und Winschoten zweigt eine Alternativstrecke zur Blauwestad ab. Das Wohnen am Wasser wurde hier in den vergangenen Jahrzehnten umgesetzt.

Die A 7 kündigt an, dass wir in Winschoten angekommen sind. Die Dollardroute wird um das Zentrum von Winschoten herumgeführt. Wir sind müde und möchten eine Pause machen. Wo gibt es in dieser Stadt ein Café. Wir hätten unsere Räder durch die Fußgängerzone schieben können, haben wir aber nicht gemacht. Jetzt wird es schwierig mit dem Café. Eindrucksvolle Windmühlen stehen am Weg. 

Da erblicken wir an der linken Straßenseite mehrere Personen, die gemütlich beisammen sitzen. Scheinen wir Glück zu haben? Ohne lange darüber nachzudenken biegen wir ab und stehen vor den Fahrradständern. Da flüstert Krystin mir zu: " Schau mal nach oben, das ist ein Veteranen Café." Ich bin so geschafft. "Macht nichts. Wir fragen, ob wir etwas bekommen."

Die Begrüßung ist herzlich. Wir dürfen uns setzen und erhalten Kaffee und Apfelkuchen mit Sahne. Den zweiten Kaffee gibt es umsonst. In einer Mischung aus deutsch und niederländisch geht das Gespräch hin und her. Das ist doch mal eine schöne Unterbrechung unserer Tour. In der Fußgängerzone hätten wir mit Sicherheit nicht soviel Spaß gehabt.


Wildpferde in Midwolda


Radweg durch den Wald bei Midwolda


Wieder queren wir die A 7 und dann geht es das erste Mal durch ein Waldgebiet. Vom starken Wind ist nichts mehr zu spüren. Der Wald wird nicht durch Holzwirtschaft verändert. Seine Natürlichkeit will man erhalten. Die angesiedelten Wildpferde unterstützen dabei den Menschen. In solcher Umgebung könnte ich stundenlang fahren, doch schneller als gedacht, ist das Gebiet durchquert. 

Die Dollardroute lenkt unsere Aufmerksamkeit auf den Ort Scheemda, man könnte ihn schon fast als idyllischen Vorort von Winschoten bezeichnen. Mit Rückenwind fahren wir an einem schmalen Kanal , dem Termunterzijldiep, entlang dem Tagesziel entgegen. Wir sind umgeben von Wiesen und Weiden. 


Nieuw-Scheemda - mit Schwung über den Kanal

Am Rande des kleinen Ortes Nieuw-Scheemda staunen wir nicht schlecht, als ein Pkw
die oben abgebildete Brücke über den Kanal befährt. Wir haben sie für eine Fußgänger- und Radfahrerbrücke gehalten.


Immer am Kanal entlang


Bei unserer Fahrt durch Nieuwolda begleiten uns wieder prachtvolle Bauernhäuser, wie wir sie schon in Beerta kennengelernt haben. Noch einmal ca. 7 km und wir erreichen unser Tagesziel Termunterzijl.

Hotel Termunterzijl


Neben dem historischen Hotelgebäude befinden sich weitere Zimmer für uns Radfahrer und eine Fahradgarage, wo die Räder während der Nacht sicher untergebracht werden können. Diese Leistung bieten alle in Anspruch genommenen Hotels am Dollardweg an. Man ist auf Fahradtouristen eingestellt.

Am Abend gibt es dann in dem gegenüberliegenden Imbiss den besten Kibbeling mit Pommes. 


Hafen Termunterzijl



Heute hatten wir viel Wind, oft von vorne, aber auch Natur pur. Wir sind gespannt auf morgen.


Sonntag, 22. August 2021

Internationale Dollard Route

Internationale Dollard Route


Nach langer, dreijähriger Pause geht es endlich wieder los. In sechs Tagen bewältigen meine Tochter Krystin und ich die etwa 215 km lange Internationale Dollard Route. Wenn auf einschlägigen Webseiten von einem ca. 300 km langen Radwanderweg die Rede ist, so kommt eine Erweiterung von Delfzijl nach Eemshaven und von dort aus mit der Fähre nach Borkum hinzu, die wir allerdings nicht gefahren sind.



Wegezeichen - unser Begleiter in den nächsten Tagen


Viel ist in den vergangenen Jahren passiert. Unsere Familie hat sich vergrößert. Meine wunderbaren Enkelkinder, ein Zwillingspärchen, wurden geboren. Ich habe mir einen Beinbruch ( Weber-B-Fraktur ) zugezogen und dann kam Corona. Von meinem Bruch spüre ich nichts mehr, aber Corona wird uns leider noch weiterhin beschäftigen. 
In diesem Jahr wollten wir nicht noch einmal, wie bereits in 2020, unsere Fahrradtour absagen.

Die Entscheidung fällt zugunsten der Dollard Route, da diese für uns heimatnah liegt und zum Zeitpunkt der Planung die Inzidenzwerte in den Niederlanden sehr niedrig liegen. Unser Nachbarstaat zählt nicht mehr zu den Risikogebieten.

Anfang Juli sind die Etappen geplant und die Unterkünfte über die Touristik GmbH "Südliches Ostfriesland" gebucht.  In Zeiten von Corona wollen wir wenigsten bezüglich der Unterkünfte auf Nummer sicher gehen und haben diesen Weg gewählt. Normalerweise organisiere ich mir die Unterkünfte lieber selbst. Da darf dann auch ruhig ein Zeltplatz, eine Trekkinghütte, eine Jugendherberge oder eine Pension dabei sein. Auf dieser Reise übernachten wir in Hotels, dazu später mehr.

Etappeneinteilung:

27.07.2021   -   Beginn in Vellage ( nach 20 km Anfahrt ) - Bad Nieuweschanz (NL)
28.07.2021   -   Bad Nieuweschanz - Termunterzijl
29.07.2021   -   Termunterzijl  -  Delfzijl
30.07.2021   -   Delfzijl  -  Emden (D)
31.07.2021   -   Emden  -  Leer
01.08.2021   -   Leer - Vellage ( von dort 20 km bis zum Heimatort )   

Doch dann geschieht etwas, mit dem wir nicht gerechnet hatten. Der Inzidenzwert in den Niederlanden steigt, zunächst auf Werte über 150. Das bedeutet Risikogebiet. Einige Tage später auf über 400, Hochinzidenzgebiet ab dem 27.07.2021. Was nun? Tour absagen? Kurzfristig eine Alternativroute suchen?

Nach einigem Hin und Her fällt die Entscheidung: wir fahren die Internationale Dollard Route. 

Wir sind beide zweimal geimpft. Auf den Fahrradtouren haben wir kaum Kontakt zur Bevölkerung und in den Hotels müssen wir dann auf Abstand achten. Schlimmstenfalls haben wir nach der Rückkehr einige Tage Quarantäne zu überstehen.



Dienstag, 27.07.2021   ( Bunde und sein Hafen ?! )

Immer wieder schaue ich auf die Karte im Reiseführer. Vor lauter Freude, dass es klappt, bin ich ganz aufgeregt. Jetzt muss ich noch das Frühstück überstehen, dann geht`s los.

Die ersten 20 km bis zum eigentlichen Startpunkt unserer Route fahren wir gemütlich an der Ems entlang. Es herrscht Radfahrwetter. Was ist denn das, wird sich nun so manch einer fragen.

Radfahrwetter: fast windstill, Temperaturen 15 - 20 Grad Celsius und kein Regen 😀 

Dazu muss ich anmerken, dass wir Trekkingräder ohne Unterstützung benutzen.

Rasch durchfahren wir die kleinen Dörfer im südlichen Ostfriesland. Die Namen der Ortschaften, Stapelmoor, Weenermoor, Stapelmoorheide, erinnern daran, dass diese Region 
ein ehemaliges Moorgebiet umfasst. 

Große Teile sind heutzutage Landschaftsschutzgebiete.
In Wymeer kann bei Interesse ein noch bestehendes Hochmoorgebiet besucht werden. Führungen über Holzbohlenwege werden angeboten.

Der Torfabbau hat dazu geführt, dass Krystin und ich uns heute durch eine Feld- und Wiesenlandschaft bewegen.



abgeerntete Wiesen bestimmen die Landschaft

Die einzigen Höhenunterschiede, die wir zu bewältigen haben, sind die Auf- und Abfahrten über die Autobahnen hinweg, die unseren Weg kreuzen.

Bei unserer ersten Rast in Wymeer denke ich, es ist Zeit für ein Foto. Was bietet sich da an, eine Kirche, wie so oft. Wir stehen direkt davor. Zwei Frauen kommen mir über dem Friedhof entgegen. Die Kirche scheint sehr alt zu sein. Sie ist zu Coronazeiten eigentlich verschlossen, doch sie wird für mich geöffnet und ich kann einen Blick hineinwerfen. Ich bin überwältigt von der Farbe blau.



Innenraum evangelisch-reformierte Kirche Wymeer

So etwas habe ich noch nie gesehen. Diese leuchtende Farbe zieht mich in ihren Bann.
Ich stehe hier und staune. 




Nur die Kanzel der ev.-ref. Kirche Wymeer erstrahlt in weiß-goldener Farbe

Ich muss mich ein wenig zwingen, mich der Außentür zuzuwenden und den Raum zu verlassen. Jetzt werde ich dieses Bauwerk doch noch von außen fotografieren. 


Ev.-ref. Kirche Wymeer - Nordseite

Weitere Informationen zu der 1886 erbauten Kirche und dem Glockenturm ( 1788 ) finden sich im Internet.

Neben der lang gezogenen Hauptstraße entlang geht es in Richtung Kloster Dünebrock?
Nach einigen Kilometern sehen wir lediglich Weiden? Wo ist denn das Kloster, fragen wir uns. 

Unser kleiner Reiseführer klärt uns auf. Nur noch diese Region kurz vor der niederländischen Grenze trägt den Namen. Bis 1810 - das ist schon eine ganze Weile her - waren Reste der vom Johanniterorden betriebenen Anlage erkennbar. 

Auf unserem Weg durchs Rheiderland kommen uns immer wieder Traktoren entgegen. Es ist Erntezeit. Das Futter für die noch auf den Weiden grasenden Kühe muss eingefahren werden. Was uns verwundert, die Fahrer weichen aus, halten notfalls an und grüßen freundlich und entspannt, wenn ihnen die zwei Radfahrerinnen auf den schmalen Wirtschaftswegen begegnen.





Wirtschaftsweg nach Bunde 

Bunde - ich bin überrascht. Bei diesem Ortsnamen fällt mir zunächst die Autobahnabfahrt an der A 31 ein. Eine konkrete Vorstellung habe ich nicht von dieser Gemeinde. Jetzt, beim Durchfahren der Ortschaft sehe ich gepflegte Häuser, zurückliegende Höfe mit davorliegenden Gärten. Ich vermute, sie sind zum Teil hundert Jahre alt. Natürlich finden sich auch moderne Geschäfte. Das Zentrum wird bestimmt von der evangelisch-reformierten Kirche aus dem 13. Jahrhundert. Dieses frühgotische Bauwerk gehört zu den bedeutendsten in Ostfriesland.



Ev.-ref. Kirche Bunde ( vormals Martinuskirche )


Ich umrunde das Bauwerk. Alle Türen sind verschlossen. So bleibt der Blick ins Innere verwehrt. Meine Neugier lässt sich nur durch eine Recherche im Web befriedigen. Bei meinem Rundgang um das Gebäude entdecke ich ein weiteres historisches Bauwerk.


ehemalige Brotfabrik

Der Reiseführer wirbt mit einem Besuch der Holländer-Galeriewindmühle. Nach kurzer Überlegung lehnen wir ab. Langsam kommt die Müdigkeit. Bis zu unserem Ziel sind es noch ca. 10 km.

Dennoch, das Steinhaus in Bunderhee muss ich mir noch anschauen. Krystin begleitet mich auch dorthin.

Das Steinhaus fasziniert mich und beflügelt meine Phantasie. Es ist eine ehemalige Burg und war Sitz ostfriesischer Häuptlinge. Sie lag am Hafen von Bunde. Hafen ???

Bunde liegt doch kilometerweit vom Dollard entfernt.

Nach großen Sturmfluten im 14. und 15. Jahrhundert dehnte sich der Dollard bis vor die Tore des Ortes Bunde aus. Über 200 Jahre lag Bunde direkt am Dollard erfahren wir anhand von Schautafeln.

 


Steinhaus am Dollard ( Tafeln zur Geschichte )

  
 

bildliche Rekonstruktion der Häuptlingsburg



Steinhaus heute - Residenz der Norddeutschen Orgelakademie
  



Bedeutung der Fenster im Steinhaus - interessant



Auf dem Weg zum Steinhaus kamen wir an diesem verloren wirkenden Haus vorbei. 
Ich finde es wunderschön. 


Lost Place ?

Nach derart vielen geschichtlichen Informationen, die ich nie erwartet hätte, erreichen wird nach einer sechsstündigen Tour unser Tagesziel: Hotel Thermen Bad Nieuwe Schanz



Eingang Hotel Bad Nieuwe Schanz


Eine Überraschung wartet an diesem Tag noch auf uns. Die Nutzung des Thermalbades ist tatsächlich im Preis enthalten. Wie gut, dass wir Badeanzüge dabei haben. Die nächsten zwei Stunden erholen wir uns im Thermalbad, dem Dampfbad, dem Kräutergarten mit Hängematten und genießen die Ruhe. Verständlicherweise dürfen hier keine Fotos gemacht werden. Diese findet man aber auf der Web-Seite des Thermalbades.

Wenn der erste Tag unserer Fahrradtour solche Höhepunkte hatte, was kann da noch kommen?