Sonntag, 22. August 2021

Internationale Dollard Route

Internationale Dollard Route


Nach langer, dreijähriger Pause geht es endlich wieder los. In sechs Tagen bewältigen meine Tochter Krystin und ich die etwa 215 km lange Internationale Dollard Route. Wenn auf einschlägigen Webseiten von einem ca. 300 km langen Radwanderweg die Rede ist, so kommt eine Erweiterung von Delfzijl nach Eemshaven und von dort aus mit der Fähre nach Borkum hinzu, die wir allerdings nicht gefahren sind.



Wegezeichen - unser Begleiter in den nächsten Tagen


Viel ist in den vergangenen Jahren passiert. Unsere Familie hat sich vergrößert. Meine wunderbaren Enkelkinder, ein Zwillingspärchen, wurden geboren. Ich habe mir einen Beinbruch ( Weber-B-Fraktur ) zugezogen und dann kam Corona. Von meinem Bruch spüre ich nichts mehr, aber Corona wird uns leider noch weiterhin beschäftigen. 
In diesem Jahr wollten wir nicht noch einmal, wie bereits in 2020, unsere Fahrradtour absagen.

Die Entscheidung fällt zugunsten der Dollard Route, da diese für uns heimatnah liegt und zum Zeitpunkt der Planung die Inzidenzwerte in den Niederlanden sehr niedrig liegen. Unser Nachbarstaat zählt nicht mehr zu den Risikogebieten.

Anfang Juli sind die Etappen geplant und die Unterkünfte über die Touristik GmbH "Südliches Ostfriesland" gebucht.  In Zeiten von Corona wollen wir wenigsten bezüglich der Unterkünfte auf Nummer sicher gehen und haben diesen Weg gewählt. Normalerweise organisiere ich mir die Unterkünfte lieber selbst. Da darf dann auch ruhig ein Zeltplatz, eine Trekkinghütte, eine Jugendherberge oder eine Pension dabei sein. Auf dieser Reise übernachten wir in Hotels, dazu später mehr.

Etappeneinteilung:

27.07.2021   -   Beginn in Vellage ( nach 20 km Anfahrt ) - Bad Nieuweschanz (NL)
28.07.2021   -   Bad Nieuweschanz - Termunterzijl
29.07.2021   -   Termunterzijl  -  Delfzijl
30.07.2021   -   Delfzijl  -  Emden (D)
31.07.2021   -   Emden  -  Leer
01.08.2021   -   Leer - Vellage ( von dort 20 km bis zum Heimatort )   

Doch dann geschieht etwas, mit dem wir nicht gerechnet hatten. Der Inzidenzwert in den Niederlanden steigt, zunächst auf Werte über 150. Das bedeutet Risikogebiet. Einige Tage später auf über 400, Hochinzidenzgebiet ab dem 27.07.2021. Was nun? Tour absagen? Kurzfristig eine Alternativroute suchen?

Nach einigem Hin und Her fällt die Entscheidung: wir fahren die Internationale Dollard Route. 

Wir sind beide zweimal geimpft. Auf den Fahrradtouren haben wir kaum Kontakt zur Bevölkerung und in den Hotels müssen wir dann auf Abstand achten. Schlimmstenfalls haben wir nach der Rückkehr einige Tage Quarantäne zu überstehen.



Dienstag, 27.07.2021   ( Bunde und sein Hafen ?! )

Immer wieder schaue ich auf die Karte im Reiseführer. Vor lauter Freude, dass es klappt, bin ich ganz aufgeregt. Jetzt muss ich noch das Frühstück überstehen, dann geht`s los.

Die ersten 20 km bis zum eigentlichen Startpunkt unserer Route fahren wir gemütlich an der Ems entlang. Es herrscht Radfahrwetter. Was ist denn das, wird sich nun so manch einer fragen.

Radfahrwetter: fast windstill, Temperaturen 15 - 20 Grad Celsius und kein Regen 😀 

Dazu muss ich anmerken, dass wir Trekkingräder ohne Unterstützung benutzen.

Rasch durchfahren wir die kleinen Dörfer im südlichen Ostfriesland. Die Namen der Ortschaften, Stapelmoor, Weenermoor, Stapelmoorheide, erinnern daran, dass diese Region 
ein ehemaliges Moorgebiet umfasst. 

Große Teile sind heutzutage Landschaftsschutzgebiete.
In Wymeer kann bei Interesse ein noch bestehendes Hochmoorgebiet besucht werden. Führungen über Holzbohlenwege werden angeboten.

Der Torfabbau hat dazu geführt, dass Krystin und ich uns heute durch eine Feld- und Wiesenlandschaft bewegen.



abgeerntete Wiesen bestimmen die Landschaft

Die einzigen Höhenunterschiede, die wir zu bewältigen haben, sind die Auf- und Abfahrten über die Autobahnen hinweg, die unseren Weg kreuzen.

Bei unserer ersten Rast in Wymeer denke ich, es ist Zeit für ein Foto. Was bietet sich da an, eine Kirche, wie so oft. Wir stehen direkt davor. Zwei Frauen kommen mir über dem Friedhof entgegen. Die Kirche scheint sehr alt zu sein. Sie ist zu Coronazeiten eigentlich verschlossen, doch sie wird für mich geöffnet und ich kann einen Blick hineinwerfen. Ich bin überwältigt von der Farbe blau.



Innenraum evangelisch-reformierte Kirche Wymeer

So etwas habe ich noch nie gesehen. Diese leuchtende Farbe zieht mich in ihren Bann.
Ich stehe hier und staune. 




Nur die Kanzel der ev.-ref. Kirche Wymeer erstrahlt in weiß-goldener Farbe

Ich muss mich ein wenig zwingen, mich der Außentür zuzuwenden und den Raum zu verlassen. Jetzt werde ich dieses Bauwerk doch noch von außen fotografieren. 


Ev.-ref. Kirche Wymeer - Nordseite

Weitere Informationen zu der 1886 erbauten Kirche und dem Glockenturm ( 1788 ) finden sich im Internet.

Neben der lang gezogenen Hauptstraße entlang geht es in Richtung Kloster Dünebrock?
Nach einigen Kilometern sehen wir lediglich Weiden? Wo ist denn das Kloster, fragen wir uns. 

Unser kleiner Reiseführer klärt uns auf. Nur noch diese Region kurz vor der niederländischen Grenze trägt den Namen. Bis 1810 - das ist schon eine ganze Weile her - waren Reste der vom Johanniterorden betriebenen Anlage erkennbar. 

Auf unserem Weg durchs Rheiderland kommen uns immer wieder Traktoren entgegen. Es ist Erntezeit. Das Futter für die noch auf den Weiden grasenden Kühe muss eingefahren werden. Was uns verwundert, die Fahrer weichen aus, halten notfalls an und grüßen freundlich und entspannt, wenn ihnen die zwei Radfahrerinnen auf den schmalen Wirtschaftswegen begegnen.





Wirtschaftsweg nach Bunde 

Bunde - ich bin überrascht. Bei diesem Ortsnamen fällt mir zunächst die Autobahnabfahrt an der A 31 ein. Eine konkrete Vorstellung habe ich nicht von dieser Gemeinde. Jetzt, beim Durchfahren der Ortschaft sehe ich gepflegte Häuser, zurückliegende Höfe mit davorliegenden Gärten. Ich vermute, sie sind zum Teil hundert Jahre alt. Natürlich finden sich auch moderne Geschäfte. Das Zentrum wird bestimmt von der evangelisch-reformierten Kirche aus dem 13. Jahrhundert. Dieses frühgotische Bauwerk gehört zu den bedeutendsten in Ostfriesland.



Ev.-ref. Kirche Bunde ( vormals Martinuskirche )


Ich umrunde das Bauwerk. Alle Türen sind verschlossen. So bleibt der Blick ins Innere verwehrt. Meine Neugier lässt sich nur durch eine Recherche im Web befriedigen. Bei meinem Rundgang um das Gebäude entdecke ich ein weiteres historisches Bauwerk.


ehemalige Brotfabrik

Der Reiseführer wirbt mit einem Besuch der Holländer-Galeriewindmühle. Nach kurzer Überlegung lehnen wir ab. Langsam kommt die Müdigkeit. Bis zu unserem Ziel sind es noch ca. 10 km.

Dennoch, das Steinhaus in Bunderhee muss ich mir noch anschauen. Krystin begleitet mich auch dorthin.

Das Steinhaus fasziniert mich und beflügelt meine Phantasie. Es ist eine ehemalige Burg und war Sitz ostfriesischer Häuptlinge. Sie lag am Hafen von Bunde. Hafen ???

Bunde liegt doch kilometerweit vom Dollard entfernt.

Nach großen Sturmfluten im 14. und 15. Jahrhundert dehnte sich der Dollard bis vor die Tore des Ortes Bunde aus. Über 200 Jahre lag Bunde direkt am Dollard erfahren wir anhand von Schautafeln.

 


Steinhaus am Dollard ( Tafeln zur Geschichte )

  
 

bildliche Rekonstruktion der Häuptlingsburg



Steinhaus heute - Residenz der Norddeutschen Orgelakademie
  



Bedeutung der Fenster im Steinhaus - interessant



Auf dem Weg zum Steinhaus kamen wir an diesem verloren wirkenden Haus vorbei. 
Ich finde es wunderschön. 


Lost Place ?

Nach derart vielen geschichtlichen Informationen, die ich nie erwartet hätte, erreichen wird nach einer sechsstündigen Tour unser Tagesziel: Hotel Thermen Bad Nieuwe Schanz



Eingang Hotel Bad Nieuwe Schanz


Eine Überraschung wartet an diesem Tag noch auf uns. Die Nutzung des Thermalbades ist tatsächlich im Preis enthalten. Wie gut, dass wir Badeanzüge dabei haben. Die nächsten zwei Stunden erholen wir uns im Thermalbad, dem Dampfbad, dem Kräutergarten mit Hängematten und genießen die Ruhe. Verständlicherweise dürfen hier keine Fotos gemacht werden. Diese findet man aber auf der Web-Seite des Thermalbades.

Wenn der erste Tag unserer Fahrradtour solche Höhepunkte hatte, was kann da noch kommen?





 
  

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